Dr. Stefan Bültmann Facharzt für Augenheilkunde

Privatarzt

Warum die Zwangs-Digitalisierung das Ende meiner Kassensprechstunde bewirkte


Warum keine "Kassenmedizin" mehr? Wegen der Gesetzesflut des letzten Bundesgesundheitsministers Jens Spahn mit Zwangs-Sprechstunden und einer sinnlosen Zwangs-Digitalisierung. Karl Lauterbach setzt jetzt noch einen drauf. Ein freier Beruf und Zwang harmonieren nicht. Formulare zu elektronifizieren und dann auszudrucken ist keine Digitalisierung. Das Problem einer forcierten und unsicheren digitalen Anbindung meines Servers an ein öffentliches Netz auf Kosten der Sicherheit der Patientendaten treibt mich schon seit Jahren um und wird von mir regelmäßig publizistisch in Zusammenarbeit mit IT-Sicherheitsexperten begleitet. Implementiert werden zeitraubende und unsichere Lösungen. Schlagworte wie „Notfalldatensatz“, „Doppeluntersuchung“ oder E-Rezept sollen dem Laien positive Aspekte suggerieren.

Ganz toll ist Telemedizin. Machen Sie mal mit dem Smartphone einen Metallsplitter aus einem Auge raus. Das ging schon vorher am Telefon nicht.


Information: Stoppt die eCard


Ich habe bis zuletzt - obwohl meine Ausstattung äußerst digital ist - meine Praxis nicht an die Telematik-Infrastruktur (TI) angebunden, bei der bei jedem Arztbesuch unkontrolliert Ihre Patientendaten aus der Praxis an die Zentralserver übertragen werden. Seit mehr als 15 Jahren versucht man auf diese Weise Ihre persönlichsten Daten zu sammeln und den Kassen und anderen Wirtschaftsunternehmen zur Verfügung zu stellen. Wie gefährlich solche Datenbanken sein können, hat die deutsche Geschichte im Dritten Reich und auch in der DDR gezeigt. Dafür, dass ich nicht an die TI angebunden war, nahm ich zusammen mit einigen anderen Ärzten Strafzahlungen in Kauf.


Ab dem 1.10.2021 sollten nur noch Ärzte, die an die TI angebunden sind, Patienten krankschreiben können. Die Tatsache, dass jemand krank ist, wird dann unmittelbar an den Versicherer gemeldet. Wenn ich Kraft Approbation feststelle, dass ein Patient nicht arbeitsfähig ist, dann schreibe ich ihn krank. Dieser verschickt den Durchschlag an den Kostenträger (Krankenkasse, Rentenversicherung, Agentur für Arbeit u.a.), sofern er das möchte. Heute funktioniert dieser Übermittlungsweg manchmal digital, vordergründig, um den Kassen etwas Arbeit zu sparen und diese in die Praxen zu verlagern.


Dabei ging jedoch auch die Gewährleistung, dass die Meldung ankommt, vom Patienten an den Arzt über. Die Praxis wurde zur Poststelle. Bisher waren Kassen nicht über eine Krankmeldung informiert, wenn diese nur kurze Zeit lief und keine Krankengeldzahlung nach sich zog. Ihre gesetzliche Krankenkasse weiß nun z. B., dass Sie zwei Tage krank waren. Die Arbeit erledigt das Praxisteam kostenlos mit und hat dann eben an anderer Stelle weniger Zeit. Der Ausdruck einer AU auf dem Nadeldrucker dauert 3 Sekunden. Eine eAU zu übertragen locker 30 bis 60 Sekunden, wenn die Verbindung funktioniert. Bei 90 Mio. AU pro Jahr werden dadurch rund 1,25 Mio. Arbeitsstunden in den Praxen durch Bürokratie vernichtet. Bei mir nicht. Ich brauche meine Crew in der Patientenversorgung.


Dazu müssen nicht nur die Praxen, Krankenhäuser, Reha-Kliniken und Kassen, sondern auch die Agenturen für Arbeit, die Berufsgenossenschaften und die Rentenversicherung an das System angebunden werden. Fällt die TI aus (wie zwischen Mai und Juni 2020), ist kein Ausweichverfahren vorhanden. Seit 2023 hat der Arbeitgeber das Nachsehen und muss Zeit und Kosten in den Abruf einer AU stecken. Ob das den deutschen Klein- und Mittelstand tatsächlich voranbringt?


Die Telematik fällt übringens recht häufig aus - während Bankomaten ein Ausfall-Limit bei weniger als 0,001 haben müssen. Das ist für eine angeblich "so wichtige" Sache inakzeptabel. Thema eRezept: Ein Papier-Rezept zu drucken, dauert drei Sekunden. Für ein elektronisches Rezept braucht man rund 2-3 Minuten. Wo ist denn da der Fortschritt?! Hochgerechnet auf die Gesamtzahl der jährlichen  elektronischen Arbeits- unfähigkeitsbescheinigungen entsteht schon jetzt ein zusätzlicher Bürokratieaufwand von etwa 1,25 Millionen Stunden in den Vertragsarztpraxen. Die fehlen jetzt bei der Behandlung von Patienten.


Dieses System birgt für die Patienten viele Risiken von Datenlecks und bringt keine Verbesserung, ausser, dass es eben modern klingt. Es ließe sich problemlos auch über eine App oder die postalische Meldung wie bisher darstellen und wäre vor Ausfällen geschützt. Letztlich wird über diesen Weg ein versteckter Kassen-Zulassungsentzug für jene Ärzte auf den Weg gebracht, die Ihre Patientendaten vor dem Zugriff sehr vieler Teilnehmer schützen möchten. Das ist Erpressung. Der Personenkreis, der künftig ermächtigt wird, diese Daten dann einzusehen, ist beliebig erweiterbar - es braucht nur ein Gesetz, selbst wenn dieses später beim Bundesverfassungsgericht gekippt wird. Die Daten sind dann im Umlauf.


Das Arztgeheimnis und die ärztliche Schweigepflicht sind die Grundlage meiner beruflichen Tätigkeit und des Vertrauensverhältnisses. Durch die TI gerät der Patient in die Situation, dass er mir nicht mehr vertrauen kann. Er erzählt mir nur Bruchstücke, was dann zu Fehldiagnosen und Behandlungsfehlern führt. So möchte ich künftig nicht arbeiten! Dass man ein Gesetz ironischer Weise Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) nennt, in dem man kurz vor der Verabschiedung entscheidende Passagen entfernt und damit gegen die europäische Datenschutzverordnung verstösst, passt zur Augenwischerei des Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU). Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat hier gravierende Bedenken, die jedoch keinen Einfluss auf die Verabschiedung des Gesetzes hatten und jetzt im Nachgang auch auf europäischer Ebene für Diskussion sorgen.


Um nicht Teil der Datenlieferanten zu werden und um die mir anvertrauten Patientendaten und vertraulichen Gespräche und Diagnosen zu schützen, blieb mir nur der Weg der Rückgabe meiner Kassenzulassung. Ich arbeite von Anfang an voll digital und kenne die Gefahren, denen die sensibelsten Daten eines Menschen ausgesetzt sind. Damit stehe ich als Privatarzt weiterhin vertrauenswürdig und zuverlässig  zur Verfügung.


Was hat John F. Kennedy mit der digitalen Krankenakte zu tun? (Neue Züricher Zeitung)


Selbst die Einbrecher von Nixon kamen nicht an JFKs Krankenakte (Heise Kommentar)


Elektronische Patientenakte: Kassenärzte fordern Sicherung gegen Manipulation (Heise Beitrag)


Hier erfahren Sie mehr zu den Hintergründen, die von der Industrie und vom Bundesgesundheitsministerium gerne vergessen werden:


https://freie-aerzteschaft.de/aktivitaeten/ecard/


 App statt Arzt: Spahns Weg zur Plattform-Medizin – Dr. Silke Lüder


Wie die überhastete Digitalisierung das Gesundheitssystem gefährdet - Dirk Wachendorf


Kritik ist gut - aber man muss auch Vorschläge haben wie etwas dann besser wäre. Mit großem Sachverstand als Sicherheitsforscher und aus seinem Alltag als Fachmann für "critical intervention" hat Thomas Maus bereits 2020 ein Grundlagenpapier veröffentlicht, das sowohl Lösungen zum Datenaustausch in der Medizin als auch zur Teilnahme an Forschungsprojekten wie Registern ermöglicht, allerdings ohne sämtliche Daten "mit dem Staubsauger" einzusammen, in "Silos" zu speichern und "mit der Gieskanne" an jedweden interessenten zu verteilen, ohne dass der betroffene Mensch dem zustimmen würde:

Dezentrale resiliente und datenschutzfreundliche eHealth-Konzepte

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